Kritisieren = Salböl für mein Haupt?

Vor einigen Wochen bin ich eingeladen worden, um ein Seminar zum Thema, „Kritik äußern und annehmen„, zu halten. Die erste Reaktion meiner Frau war: „Wer hat das Thema ausgesucht? Wie kommt’s, dass ausgerechnet du über so ein Thema referierst?“ Meine Frau weiß sicherlich am besten, dass ich noch einiges über dieses Thema zu lernen habe. Ich habe also hinter dem Argument, dass ich genau deswegen darüber referiere, WEIL ich hier noch viel zu lernen habe, Zuflucht gesucht. Nun ist es mir erneut klar geworden:  Das Thema ist wirklich schwierig. 1) Es ist schwierig zu behandeln, denn wir alle wissen (theoretisch), wie man Kritik äußern und annehmen sollte. Wir wissen alle, wie 1956 ein philosophisches Wörterbuch das ausgedrückt hat:„Kritik gilt im Sinne einer Kunst der Beurteilung als eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten.“ (Philosophisches Wörterbuch Hrsg. Georgi Schischkoff). D.h., wir wissen alle, dass Kritik wichtig ist. Also, was gibt es noch darüber zu sagen, was nicht schon zig mal gesagt, geschrieben und gehört worden ist? Mein Eindruck ist, dass wir „genug“ (oder zumindest „eine ganze Menge“) darüber wissen, aber bei der Umsetzung „scheitern“,  bzw. uns wahnsinnig schwer tun. Das bringt mich zu der 2. Schwierigkeit. 2) Das Thema ist wirklich schwierig umzusetzen. Ich habe einige (schlaue) Bücher, Webseite und Blogartikel gelesen (Ok! Zugegeben, eher „überflogen“). Jedes Mal musste ich denken: „Das weiß ich doch! Das hört sich alles so „einfach“ an! Also warum funktioniert’s nur so selten?“ Da ist mir ein  Satz aus einem Lied von Wise Guys eingefallen: „Fast niemand hüpft vor Freude, wenn man ihn kritisiert!“ Vielleicht ist es doch „normal“, dass „Kritik äußern und annehmen“ schwer umzusetzen ist. Zwei Aspekte sind mir persönlich aus der Vorbereitung dieses Seminars hängen geblieben:
→ Wie ist Jesus selber mit Kritik umgegangen? 
Er hat Fragen gestellt.
  • Jesus mit Petrus „Warum hast du gezweifelt?“ Matthäus 14,31
  • Jesus mit seinen Jüngern im Sturm: „Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?“ Matth.8,26
  • Jesus mit seinen Jüngern über den Sauerteig: „Als Jesus merkte, was sie beschäftigte, sagte er: »Ihr Kleingläubigen, warum macht ihr euch Gedanken darüber, dass ihr kein Brot habt?“ Matth.16,8
Jesus wusste sehr wohl die Antwort (anders als bei uns… Wir vermuten, bzw. nehmen an die Antwort zu kennen… Aber das ist ein anderes Thema). Jesus hätte ihnen die Tatsache ihrer Fehler direkt ins Gesicht „knallen“ können (Anders gesagt: Er hätte sie kritisieren können und – fromm ausgedrückt – ihnen „die Wahrheit in Liebe sagen“ können). Aber durch seine Frage gab er seinen Gesprächspartnern die Möglichkeit zu reflektieren, zu überlegen und selber über ihre Handlung nachzudenken. Ich habe interessanterweise auf Arbeit beobachtet, wie Kollegen (die absolut keine Christen sind) genau diese Methode angewendet haben. Glaub mir, es hat sehr gut funktioniert, sowohl um Kritik zu äußern, als auch um Kritik anzunehmen, bzw. einzuordnen.
→ „Stelle eine Wache vor meinen Mund, Herr!“
Der 2. Aspekt ist aus den Psalmen. Diese Bibelverse drücken genau aus, dass wir (zumindest ich) nicht allein sind, mit dem Thema „Kritik“ einwandfrei umgehen können. Der Psalmist schreibt: Ps. 141,3-5:„Stelle eine Wache vor meinen Mund, Herr, ja, achte auf die Worte, die über meine Lippen kommen. Lass nicht zu, dass mein Herz sich zum Bösen verleiten lässt – sei es in gottlosen Worten oder Taten, dass ich gemeinsame Sache mache mit Leuten, die Übeltäter sind. Nicht einmal kosten will ich von ihren Leckerbissen!  Wer nach Gottes Willen lebt, der mag mich strafen – er tut es aus Liebe! Er mag mich zurechtweisen – es ist wohltuend wie Salböl für mein Haupt, und dagegen werde ich mich gewiss nicht wehren!“ Wer hätte gedacht, dass Zurechtweisung (ein anderes Wort für „Kritik“) „wohltuend wie Salböl für das Haupt“ sein kann? Da es wahrscheinlich normal ist, dass wir uns mit Kritik schwer tun und „nicht vor Freude hüpfen, wenn jemand uns kritisiert“, bitte ich Gott darum,  „eine Wache vor meinem Mund zu stellen und auf meine Worte zu achten.“ Ich persönlich will nach Gottes Willen leben. Deshalb, wer ebenfalls nach Gottes Willen lebt, der mag mich strafen und zurechtweisen (bzw. kritisieren), denn er tut es aus Liebe. Dagegen werde ich mich gewiss nicht wehren. (Glaub mir! Es ist mir nicht leicht gefallen diese Zeilen zu schreiben)

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